Der Entwicklungssektor hat sich zu lange in einer selbstreferenziellen Blase bewegt. Er hat vor allem mit sich selbst gesprochen, seine eigene Logik bestätigt und sich gegen breitere Kritik abgeschottet. Doch die Welt hat sich verändert, und die Kluft zwischen den Narrativen des Sektors und den Wahrnehmungen außerhalb des Sektors lassen sich nicht mehr ignorieren.

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Auf der einen Seite sind die Menschen der Geberländer – deren (Steuer-)Geld die Entwicklungszusammenarbeit finanziert – auf Distanz geblieben. In vielen OECD-Staaten war das öffentliche Engagement gering, die Skepsis hoch. Schon bevor populistische Narrative an Einfluss gewannen, zeigten Umfragen erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit von Entwicklungshilfe. In Deutschland glaubten beispielsweise 2017 nur 10 % der Befragten, dass Entwicklungshilfe größtenteils wirksam sei, während ein Viertel sie überwiegend für unwirksam hielt. Doch da das System für seine etablierten Akteure weiterhin funktionierte, wurden diese Bedenken ignoriert.

Auf der anderen Seite des Systems erhielten die Menschen in den Empfängerländern – die eigentlich Nutznießer:innen der #InternationalenZusammenarbeit sein sollten – nur begrenzte Mitsprache über ihre eigene Entwicklung. Entscheidungen bleiben weitgehend top-down, geprägt von Geberprioritäten, starren Planungs-Bürokratien und externem Fachwissen, das lokale Lösungen oft übergeht. Trotz jahrzehntelanger Diskussionen über stärkere lokale Beteiligung blieben echte Reformen aus.

Wichtig wäre es anzuerkennen, dass es ein Problem gibt. Das System muss umgebaut und fokussiert werden. Denn nicht nur Populisten stellen die Frage: Brauchen wir dieses Konzept überhaupt noch?

Wie kann nun eine Neuausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit aussehen?

Hier ein Diskussionsbeitrag: Ein Drei-Säulen-Ansatz für eine neu ausgerichtete bilaterale Zusammenarbeit 🌍

Es gibt viele Gründe, warum die Entwicklungszusammenarbeit neu gedacht werden muss. Ein nicht unwesentlicher, oft übersehener Punkt: Sie versucht derzeit, widersprüchliche Ziele zu vereinen, die nicht zusammenpassen. Das Ergebnis? Unklare Ziele, übermäßig komplexe Prozesse und eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität, die die Glaubwürdigkeit des Politikfeldes untergräbt.

Statt eines „Einheitsansatzes“ in Strukturen, Methoden und Kommunikation brauchen wir klarere, voneinander abgegrenzte „Zusammenarbeitskonzepte“ – jedes mit einer eigenen Identität, maßgeschneiderten Methoden und eindeutig bestimmten Beteiligten. Dies würde die Umsetzung effizienter gestalten, die Kommunikation präzisieren und sicherstellen, dass jeder Ansatz an den richtigen Kriterien gemessen wird. Bei dieser Klarheit geht es nicht nur um Effizienz, sondern um Wirkung.

Ich sehe aktuell drei verschiedene Kooperationskonzepte:

Kooperationskonzept 1: Partizipative Transformation ermöglichen - Zusammenarbeit von der Basis aus aufbauen 🌱

In diesem Feld sind die größten Anpassungen erforderlich, denn jahrzehntelang folgte die Entwicklungszusammenarbeit einem Top-down-Modell: Externe Expert:innen entwarfen Lösungen, setzten Prioritäten und definierten Erfolg.

Dieses erste Kooperationskonzept stellt die Zusammenarbeit, wie wir sie kennen, wieder auf die Füsse. Es basiert auf der Erkenntnis, dass echter, nachhaltiger Wandel von innen kommen muss: angetrieben von lokaler Führung, verwurzelt in lokalem Wissen und Concerns und getragen von denen, die ihn leben.

Methodisch gibt es hier interessante Überschneidungen mit dem Humanitarian-Development-Peace-Nexus (Humanitär-Entwicklungs-Friedens-/HDP-Nexus), der anerkennt, dass nachhaltiger Fortschritt integrierte, lokal geführte Lösungen erfordert, die unmittelbare Bedürfnisse mit langfristiger Resilienz verbinden.

Hier wird Erfolg nicht an Geberberichten gemessen, sondern daran, wie gut Gemeinschaften ihre eigene Transformation gestalten. Es ist ein Wandel von Abhängigkeit zu Eigenverantwortung – bei dem externe Unterstützung lokale Kapazitäten stärkt, statt sie zu ersetzen.

Kooperationskonzept 2: Win-Win-Partnerschaften fördern - verantwortungsvolle Wirtschaft und Investitionen, geteilter Erfolg 🤝

Auch in der Vergangenheit war öffentliche Entwicklungszusammenarbeit nicht rein altruistisch, was allerdings hinter Begriffen wie „Augenhöhe“ und Verfahren wie „Regierungsverhandlungen“ versteckt.

Auch aus Sicht vieler Steuerzahlenden kann eine verantwortungsvolle wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen europäischen Unternehmen und dem öffentlichen sowie privaten Sektor in Partnerländern einen Beitrag leisten zu, in diesem Fall gemeinsamer wirtschaftlicher Entwicklung.

Es geht nicht um „Entwicklungshilfe“, sondern um wirtschaftliche Kooperation, die gemeinsamen Wert schafft. Ziel ist ein für beide Seiten vorteilhaftes wirtschaftliches Engagement, bei dem europäische Unternehmen nach klaren ethischen Grundsätzen handeln – für fairen Handel, verantwortungsvolle Investitionen und starke öffentlich-private Partnerschaften.

Natürlich setzt diese Form der Kooperation volle Handlungsfreiheit für alle beteiligten voraus, ebenso wie verantwortungsvolle Geschäftspraktiken bei allen Beteiligten: Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards, transparenten Geschäftspraktiken und inklusive Wachstumsstrategien, die sicherstellen, dass lokale Volkswirtschaften profitieren.

Ein in diesem Konzept relevanter Aspekt, der noch weiter ausgearbeitet werden muss, ist die Lieferaufbindung zugunsten von deutschen und europäischen Unternehmen in Beschaffungsprozessen, die aus deutschen öffentlichen Haushalten finanziert werden.

Erfolg wird hier an der gemeinsamen wirtschaftlichen Wirkung gemessen, also daran, wie verantwortungsvolle Unternehmen und Investitionen wirtschaftliche Entwicklung für alle Partner vorantreiben können.

Kooperationsskonzept 3: Strukturelle Gerechtigkeit erwirken - faire Repräsentation, verstärkte Wirkung 🗣️

Das dritte Kooperationskonzept konzentriert sich auf faire globale Governance, auch zu globalen öffentlichen Gütern. Länder des sogenannten „Globalen Südens” haben in internationalen Verhandlungen – sei es zu Klima, Handel oder Entwicklung – oft keine ausreichend starke Stimme. Die Probleme sind nicht nur technischer, sondern auch struktureller Natur: Finanzielle Einschränkungen, schwache institutionelle Kapazitäten und exklusive Governance-Strukturen verlängern die Marginalisierung dieser Länder.

Das Kooperationskonzept zielt darauf ab, eine ausgewogenere Repräsentation in der globalen Governance zu erreichen. Dazu soll sichergestellt werden, dass alle Nationen – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Größe – an der Gestaltung internationaler Politiken angemessen beteiligt sind.

Das bedeutet den gemeinsamen Aufbau von spezialisierter Expertise und Ausbildung, in institutionelle Reformen sowie Schaffen von Plattformen für evidenz-basierte Interessenvertretungen. Für viele noch wirtschaftlich weniger leistungsfähige Länder erfordert es die Überbrückung von Lücken in finanzieller Unterstützung, technischer Expertise und institutioneller Repräsentation, damit sie vollumfänglich teilnehmen können.

Erfolg wird an Fortschritten in Einflussnahme und Teilhabe gemessen – und daran, wie sich Machtverhältnisse verändern. Dazu gehört auch die Förderung strategischer Partnerschaften, um globale Governance inklusiver zu gestalten.

Warum das wichtig ist

Durch die Aufteilung der Entwicklungszusammenarbeit auf diese drei Kooperationskonzepte können fokussiertere und wirksamere Ansätze geschaffen sowie überzeugende Narrative entwickelt werden, was eine bessere Kommunikation ermöglicht.

Entscheidend ist die konsequente Umsetzung. Einfacher wäre dies, wenn unterschiedliche Institutionen verantwortlich wären. So muss die politische Führung aus einer Institution heraus verhindern, dass die Konzepte verwässert werden, und ihre klare Ausrichtung bewahren. Menschen in den Empfänger- und Geberländern würden als Akteure mit ihren Anliegen endlich wirklich ernst genommen. Inwieweit dies gelingt wird wesentlich bestimmen, ob in der nächsten Legislatur dieses Ministerium in Deutschland weiter bestehen wird.

Traditionelle Entwicklungszusammenarbeit: Noch relevant?

Folgte man der gerade dargestellten Struktur der drei Kooperationskonzepten für Entwicklungszusammenarbeit – was wäre mit dem klassischen Kooperationsmodell zwischen Partnerregierungen und der deutschen Bundesregierung?

Auch sie bleibt relevant – allerdings nur noch als Mittel zum Zweck. Es sollte kein Selbstzweck sein, sondern ein Instrument, um die eigentlichen Ziele zu erreichen: lokale Eigenverantwortung für Verbesserungen, verantwortungsvolle Wirtschaftskooperationen und faire globale Governance.

Daher kann es in allen drei Bereichen eine instrumentelle Rolle spielen – etwa bei der Schaffung von Rahmenbedingungen, der Finanzierung von Projekten oder der politischen Absicherung.

Allerdings: Wenn Regierungen diese Kooperationsmodelle aktiv behindern, sollte die Alarmglocken läuten. Dann gilt es genau hinzusehen: Gibt es legitime Einwände – oder sind es politische Strukturen, die Verbesserungen der Lebensbedingungen von vornherein erschweren?

Die Frage ist nicht, ob wir das klassische Modell abschaffen, sondern wie wir es neu denken und klüger sowie deutlich schlanker einsetzen – als Unterstützung für echten Wandel, der wirklich von Menschen ausgeht. #FutureOfCooperation